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Versione italiana: Matematica: Catalogo fondamentale
Version française: Nouveau catalogue de connaissances fondamentales en mathématiques
Druckfähige Version: PDF-File (deutsch/français/italiano)
Die Hochschulrektorenkonferenz hat 1990 einen Katalog Grundkenntnisse in Mathematik veröffentlicht. Darin wurde festgelegt, welcher Stoff zu Studienbeginn als bekannt vorausgesetzt wird. Nach der Maturitätsreform 1995 wurde der Katalog von der DMK, der CRM und einer Kommission der ETH Zürich 1997 überarbeitet und nach einer umfassenden Vernehmlassung gesamtschweizerisch zur Umsetzung empfohlen. Seit der Jahrtausendwende haben sich die Rahmenbedingungen wiederum geändert. So wurde vielerorts die Schulzeit verkürzt, graphikfähige Taschenrechner und CAS (Computer Algebra Systeme) sowie Geometriesoftware bieten neue Möglichkeiten im gymnasialen Mathematikunterricht. Untersuchungen wie EVAMAR II haben darüber hinaus gezeigt, dass am Übergang vom Gymnasium an die Hochschule Probleme auftreten, die unter anderem in der überaus heterogenen Stundendotation des Grundlagenfachs Mathematik gründen. An der Konferenz Übergang Gymnasium-Hochschule im Oktober 2010 im Centro Stefano Franscini wurde deshalb angeregt, den Katalog neu zu gestalten. Die Kommission Gymnasium-Universität hat daraufhin die DMK beauftragt, eine breit abgestützte Gruppe aus Vertretern von DMK/CRM/CMSI und der Hochschulen zu bilden, um die Arbeit auszuführen und das Resultat in eine allgemeine Vernehmlassung zu geben.
Einerseits weiss man in Gymnasien oft nicht genau, welche mathematischen Kenntnisse und Fertigkeiten die Universitäten in den Grundvorlesungen voraussetzen, umgekehrt weiss man in den Universitäten oft nicht genau, welchen Ausbildungsstand man von den Maturandinnen und Maturanden erwarten kann. Der vorliegende Katalog soll beiden Seiten Orientierung und Information sein. Ein unerwünschter Grad an Standardisierung von Inhalten und Lehrplänen soll jedoch vermieden werden. Lehrfreiheit und Vielfalt sind ein hohes Gut, ohne das keine Schulentwicklung möglich ist. Auch historisch gewachsene oder kulturelle Unterschiede sollen ihren Platz haben. Trotzdem soll klar werden, welches Wissen, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten und welches Verständnis Maturandinnen und Maturanden im Fach Mathematik bei allgemeiner Hochschulreife mitbringen sollen. Gleichzeitig soll einer ausufernden Heterogenität entgegengewirkt werden, indem der Katalog als Orientierung bei der Überarbeitung von kantonalen oder schulinternen Lehrplänen dient. Damit macht dieser Katalog indirekt auch die Erwartung des Gymnasiums an den Ausbildungsstand beim Übergang von der Sekundarstufe I deutlich. Der Katalog stellt als Ganzes dar, welche Fähigkeiten und welches Fachwissen an der Hochschule von den Studierenden erwartet werden. Darunter fallen auch Themenbereiche, die bereits vor der Sekundarstufe II vermittelt werden müssen. So sollen beispielsweise Termumformungen, Gleichungen, Elementargeometrie, Stereometrie und stochastische Betrachtungen schon früh thematisiert werden und später auf gymnasialer Stufe auf höherem Abstraktionsniveau erneut Unterrichtsgegenstand sein.
Der vorliegende Katalog ist für das Grundlagenfach Mathematik konzipiert. Er basiert auf einer Dotation von gesamthaft 16 Jahreswochenlektionen für ein vierjähriges Gymnasium. Schulen, die unter dieser Lektionenzahl liegen, müssen somit Abstriche in Kauf nehmen, denn Mathematik braucht Zeit. Unabhängig davon müssen die Gymnasien ihre Schülerinnen und Schüler darauf hinweisen, dass je nach Studienwunsch die Wahl des Ergänzungsfachs Anwendungen der Mathematik oder des Schwerpunktfachs Physik und Anwendungen der Mathematik ihren Studienerfolg entscheidend begünstigen kann.
Internet und Computer durchdringen unser Leben, durchdringen jedes am Gymnasium gelehrte Fachgebiet. Jedoch wird kein Fach dadurch stärker tangiert als die Mathematik, notabene durch ihre ureigenste Erfindung, den Computer. Internet, Visualisierungs- und Geometriesoftware sowie CAS und andere Hilfsmittel haben ihren Platz in jedem zeitgemässen Mathematikunterricht. Diese neuen Instrumente bieten die Chance, die Mathematik verstehensorientierter zu lehren. Themen wie Kurvendiskussion oder das Auffinden von Stammfunktionen bei verzwickten Integranden haben im Zeitalter von Computeralgebrasystemen an Bedeutung verloren. Der Einsatz elektronischer Hilfsmittel muss jedoch gezielt und wohlüberlegt erfolgen und darf nicht zu einem Verlust der Rechenfertigkeit führen: Die Hochschulen erwarten nach wie vor ausreichendes handwerkliches Können, zum Beispiel bei Termumformungen, beim Auflösen von Gleichungen und beim Ausführen von längeren Rechnungen, um die Erfordernisse eines Studiums meistern zu können. Unterricht, der CAS integriert, darf sich daher nicht darin erschöpfen, traditionelle Aufgaben mit dem Taschenrechner zu behandeln. Er muss sich vielmehr neu orientieren und den Einsatz eines CAS sinnvoll und kritisch hinterfragend an den Inhalten ausrichten, ohne die handwerklichen Fertigkeiten zu vernachlässigen.
Die tatsächlichen Anforderungen im Studium variieren erheblich und hängen von der gewählten Studienrichtung, dem Prüfungsfach und der jeweiligen Universität ab. An einigen Hochschulen sind Taschenrechner jeglicher Art an den meisten Basisprüfungen nach dem ersten Studienjahr nicht zugelassen. Sie sind aber einerseits auch nicht nötig, da die Prüfungsaufgaben verständnisorientiert sind und Fertigkeiten im manuellen Umgang mit mathematischen Gegenständen erfordern und andererseits auch naheliegende juristische Gründe gegen elektronische Hilfsmittel bei Prüfungen sprechen. Gleichzeitig bildet der Einsatz mathematischer Software ein zentrales Element zahlreicher Studiengänge. Die Universitäten sind daher in der Pflicht, die Anforderungen für die einzelnen Studienrichtungen in Broschüren und auf Webseiten darzustellen. Umgekehrt müssen sich Gymnasien, Lehrkräfte und Maturandinnen und Maturanden über die Anforderungen informieren, um eine adäquate Vorbereitung auf das Studium zu gewährleisten.
Aufgrund der heterogenen Situation kann der Katalog also keine allgemeingültigen Angaben im Umgang mit CAS machen, er strebt jedoch eine Balance zwischen verfahrenstechnischen Fertigkeiten (Syntax), verstehensorientiertem Wissen (Semantik) und selbständigem Forschen (Exploration) an. Dieser Ansatz spiegelt sich im unten stehenden inhaltlichen Teil des Katalogs wieder.
Die Mathematik ist ein riesiges Wissensgebiet und ein über Jahrtausende gewachsenes Kulturgut. Ihre Anwendungen bilden die Grundlage unserer hochtechnisierten Gesellschaft. Sie liefert grundlegende Werkzeuge für alle quantitativ arbeitenden und logisch argumentierenden Wissenschaften. Ihre Bedeutung als Bildungsziel im Unterricht weist aber weit über die Wissenschaft als Studienziel hinaus. Im Schulunterricht muss Zeit sein
Mathematik ist modern und lebendig, sie verändert sich ständig. Dies betrifft die innermathematische Weiterentwicklung dieser Wissenschaft, das Bild der Mathematik von aussen, die verwendeten Instrumente und die immer neuen Anwendungen. Diese Dynamik muss sich in der Schule reflektieren. Mathematik ist Neugier und Kreativität, der Unterricht soll die Freude daran wecken. Ein Konzept für den Unterricht enthält demnach die Elemente:
Aus dieser Sicht ergeben sich nun allgemeine Konsequenzen für den Unterricht.
In der Mathematik werden die Sachverhalte bewiesen, und diese Wahrheiten gelten dann universell und für immer. Kein anderes Fach kann diese Erfahrung vermitteln. Die intensive Beschäftigung mit Mathematik fordert und fördert eine gewisse Strenge im Geist und lehrt Hartnäckigkeit und Durchhaltewille angesichts schwieriger Aufgaben. Selbstvertrauen und Mut zum Probieren sind Grundvoraussetzungen dafür, dass Schülerinnen und Schüler aufgeschlossen gegenüber mathematischen Themen sind, Lust haben, selber zu entdecken, zu begründen und zu beweisen. Dabei sollten sie auch die Erfahrung machen, dass die saubere Darstellung eines Lösungsweges sowie Plausibilitätsbetrachtungen Voraussetzung dafür sind, dass man auch Fehler entdecken und beheben kann. Eine positive Arbeitshaltung und eine stimmige Selbsteinschätzung sind wichtiges Rüstzeug für einen erfolgreichen Start im Studium.
Logisches Argumentieren: Der Umgang mit Wissen und Information erfordert, nicht nur in der Mathematik, die Fähigkeit verschiedene Elemente logisch miteinander zu verknüpfen. Auch innermathematische Gründe machen eine Beschäftigung mit elementaren logischen Strukturen nötig, denn durch deren Verknüpfung gelangt man schliesslich zum zentralen Begriff des Beweises. Was ein Beweis ist und warum man ihn braucht, soll genauso Thema im Unterricht sein, wie spezielle Beweismethoden (direkter und indirekter Beweis, vollständige Induktion). Die mathematische Arbeitsweise erfordert, dass Schülerinnen und Schüler vertraut sind mit den Begriffen Definition, Satz (Voraussetzung, Behauptung), Beweis, notwendige und hinreichende Bedingung, sowie Negation, Umkehrung und Kontraposition. Es ist notwendig, dass diese Begriffe an einsichtigen Beispielen geübt werden.
Modellbildung: Mathematik ist Sprache und Werkzeug für andere Wissenschaften. Der ungeheure Nutzen der Mathematik für unser tägliches Leben bleibt dem oberflächlichen Betrachter meist verborgen. Er beruht einerseits auf der Tatsache, dass die Mathematik erlaubt, Modelle von realen Gegebenheiten zu bilden, und andererseits darauf, diese Modelle mit mathematischen Methoden zu untersuchen und aus den Ergebnissen Rückschlüsse für die Realität zu ziehen. Zentrale Fragen sind: Was ist ein Modell? Wie gelangt man von einem realen Phänomen zu einem Modell? Welche Faktoren sind vernachlässigbar, welche relevant? Wo liegen die Grenzen von Modellen? Welche Beziehung besteht zwischen Modell und Realität? Wie lassen sich Prognosen, Simulationen und Optimierungen mit Hilfe von Modellen realisieren? Diese Fragen sollen im Unterricht zur Sprache kommen.
Fertigkeiten von Hand: So wie das Beherrschen einer Sprache einen Grundwortschatz und die Vertrautheit mit der Grammatik erfordert, so kann nur mathematisch tätig sein, wer ein gewisses Mass an Handfertigkeiten und Techniken beherrscht. Dazu gehört auch der sichere und korrekte Umgang mit mathematischer Notation. Diese handwerklichen Fertigkeiten sollen stetig an einsichtigen Beispielen geübt werden. Erst die ausreichende Rechenfertigkeit erlaubt es, mathematisch ausdrucksfähig zu werden.
Algorithmisches Denken: Der Algorithmus ist ein zentraler Begriff für die Mathematik und betont deren konstruktive und dynamische Seite. Er bildet zudem eine Brücke zur Informatik. So spielen zum Beispiel Rekursionen, Schleifen und Schleifeninvarianten, oder iterative und numerische Verfahren in vielen Gebieten der Mathematik eine wichtige Rolle.
Geometrisches Vorstellungsvermögen: Zahlreiche Begriffe der Geometrie wie Dimension, Symmetrie, Erhaltungsgrösse oder Abbildung, aber auch räumliches Vorstellungsvermögen, sind wesentlich für ein vertieftes Verständnis weiter Teile der Mathematik. Was in der Geometrie anschaulich erlebbar ist, kann übertragen werden auf abstraktere Gegenstände. Durch die geometrische Visualisierung kann das Verständnis von tieferliegenden Aspekten gefördert werden.
Einsatz neuer Technologien: Die Schülerinnen und Schüler sollen einen ersten Kontakt mit mathematischer Software in der analytischen, numerischen und statistischen Behandlung von mathematischen Problemen erhalten. Insbesondere sollen Berührungsängste mit elektronischen Hilfsmitteln abgebaut und ein erster Umgang mit heutigen Technologien gepflegt werden, auch im Hinblick auf einen fortgeschritteneren Einsatz auf universitärer Stufe. Dies soll einerseits den Kontakt zu realitätsnahen Problemstellungen in einfachen Anwendungen ermöglichen, andererseits aber auch das Entdecken komplexerer mathematischer Phänomene durch Experiment, Simulation und numerische Rechnung unterstützen und fördern. Ebenso soll dadurch der Einsatz von Visualisierungsmethoden und der Umgang mit Daten zugänglich gemacht werden. Gleichzeitig muss die Problematik erlebbar werden, dass der unkritische Umgang mit Computern zu falschen Schlüssen führen kann.
Im Rahmen der Gerüstdidaktik und des black-box/white-box Prinzips ermöglicht es der Rechner auch schwächeren Schülerinnen und Schülern, mathematische Erfolgserlebnisse zu haben. Weil ausserdem syntaktische Routinerechnungen an den Computer delegiert werden können, kann man im Unterricht Zeit gewinnen, um Platz zu schaffen für theoretische und verständnisorientierte Vertiefungen. Dies darf jedoch nicht dazu führen, das Handrechnen zu vernachlässigen.
Wissenschaftliche Denkweise: Mathematik ist eine wissenschaftliche Disziplin mit ihr eigenen Arbeitsmethoden, die im Unterricht ihren Niederschlag finden sollen. Ausgehend von zufälligen oder systematischen Beobachtungen, Verallgemeinerungen, oder Betrachtung von Spezialfällen wird eine Hypothese erstellt. Dabei ist Gegebenes von Gesuchtem zu unterscheiden, und auf den Gebrauch von zweckmässigen Bezeichnungen zu achten. Aufbauend auf einer entsprechenden Kernidee wird anschliessend versucht deduktiv, basierend auf vorhandenem Wissen, die These zu beweisen, oder allenfalls zu modifizieren, um neues Wissen zu erschliessen und die Erkenntnisse neu zu ordnen. Dazu gehört auch die Diskussion der Lösung durch Plausibilitätsbetrachtungen oder Überschlagsrechnungen. Aus diesem Prozess, der ein hohes Mass an Kreativität erfordert, ergeben sich neue Gesichtspunkte, Bezüge, Interpretationsmöglichkeiten und neue Fragen.
Mit dem MAR 95 und der Schaffung von Schwerpunktsfächern wie Physik und Anwendungen der Mathematik oder Biologie und Chemie hat die Interdisziplinarität einen erhöhten Stellenwert im gymnasialen Unterricht erhalten. Der Katalog gibt Anhaltspunkte, an welchen Stellen die mathematischen Inhalte mit anderen Fächern verknüpft werden können. Dies zeigt auch den Nutzen der Mathematik als Strukturwissenschaft und liefert zusätzliche Motivation. Interdisziplinarität darf jedoch nicht zum alleinigen Prinzip erhoben werden: Ohne fundiertes disziplinäres Wissen lässt sich nicht interdisziplinär arbeiten. Mathematische Inhalte sind nicht selten zunächst in reiner Form am verständlichsten. Sie zeigen gerade dann ihre eigene Ästhetik und die Berechtigung der Mathematik als eigenständige Wissenschaft und ebenso als zentrales Unterrichtsfach.
Die Lehrpläne der Mathematik orientieren sich an den klassischen Grundpfeilern: Geometrie, elementare Algebra, Analysis, Anwendungen der Mathematik, insbesondere Stochastik. Die Schulmathematik zeichnet somit, dem genetischen Prinzip folgend, die historische Entwicklung der Wissenschaft nach.
Die Algebra am Gymnasium öffnet den Schülerinnen und Schülern den Weg heraus aus der Arithmetik von Zahlen, hin zum Verständnis von Variablen und zum Rechnen mit ihnen. Damit wird insbesondere eine wichtige Voraussetzung für den Funktionsbegriff und die Analysis geschaffen. Die fundamentalen algebraischen Rechenregeln (Kommutativgesetze, Assoziativgesetze, Distributivgesetz) werden in der Schule durch Analogie mit dem Zahlenrechnen oder geometrisch erschlossen und bilden die Grundlage von Termumformungen sowie der Theorie einfacher Gleichungen. Das Studium einfacher Funktionen (Potenz-, Wurzel-, Exponential- und Logarithmusfunktion) und der handwerkliche Umgang mit ihnen wird in der gymnasialen Mathematik traditionellerweise ebenfalls der Algebra zugeordnet. Durch die Sprache der Algebra eröffnet sich damit ein breites Feld an Anwendungen sowie einfachen Modellen, womit die Analysis weiter unterstützt wird. Aspekte der höheren Algebra, etwa die enge Verknüpfung mit der Geometrie, finden im Grundlagenfach zwar kaum Platz, der historische Rahmen vermag jedoch exemplarisch die Entwicklung der Mathematik als Wissenschaft aufzuzeigen.
Die Analysis befasst sich mit funktionalen Zusammenhängen aus Wissenschaft und Mathematik. Sie liefert eine Sprache, um diese darzustellen, und entwickelt gleichzeitig rechnerisch-analytische sowie graphisch-visuelle Werkzeuge und Methoden zu deren Erforschung. Die Rechentechniken (Syntax) müssen einer tieferen Einsicht in die Bedeutung der Konzepte (Semantik) untergeordnet werden. Technologie kann dieses Vorhaben gut unterstützen. Eines der traditionellen Kernthemen der gymnasialen Analysis, die Kurvendiskussion, ist deshalb nicht mehr zeitgemäss und taucht nicht als eigenständiges Thema auf. Viele der bedeutsamsten und fundamentalsten wissenschaftlichen Gesetze und Modelle, von der Physik über die Meteorologie, Biologie, Chemie, Medizin bis hin zur Volkswirtschaftslehre, basieren auf der Differential- und Integralrechnung und werden in Form von Differentialgleichungen formuliert. Damit solche Modelle und Gesetze auch nur ansatzweise verstanden werden können, ist es unerlässlich, dass das Konzept und ein qualitatives Verständnis einer Differentialgleichung auch im Grundlagenfach vermittelt wird. Dies ist auch mit einfachen mathematischen Methoden und ohne die Notwendigkeit analytischer Lösungsverfahren möglich.
Im Bereich der Geometrie wurden historisch die Grundsteine der Methodik mathematischen Tuns gelegt. So wurde in den Elementen von Euklid zum ersten Mal der auch heute noch übliche Aufbau von mathematischen Texten praktiziert: Definitionen, Axiome, Sätze und Beweise. Dieser Aufbau hat sich innerhalb der Mathematik als fundamental erwiesen und kann im Geometrieunterricht an vergleichsweise anschaulichen Beispielen nachvollzogen und erlebbar gemacht werden. Die Weiterentwicklung der Geometrie im Rahmen von Abbildungsgeometrien, Transformationsgruppen und Invarianten hat zu weitreichenden Verallgemeinerungen, etwa der Topologie oder der diskreten Geometrie, und zu einer inneren Einheit mit der Algebra geführt. Die Schülerinnen und Schüler sollen die Geometrie auch als modernes Werkzeug erleben, welches sich mit der technischen Entwicklung gewandelt und modernen Fragestellungen zugewandt hat. Das numerische Erfassen und Beschreiben von Figuren und Körpern (Form, Grösse und Lage) und ihre Darstellung findet in verschiedensten Wissenschaften ihren Niederschlag. Insbesondere die Vektorgeometrie bietet die Möglichkeit, den rein mathematischen Themenkreis zu sprengen und geometrische Konzepte in der Physik, der Chemie, der Biologie, der Geographie, den Wirtschaftswissenschaften usw. anzuwenden.
Die Stochastik hat in der jüngeren Vergangenheit zahlreiche Anwendungen in allen quantitativ arbeitenden Wissenschaften gefunden und hat damit an Bedeutung gewonnen: Dies gilt auch für viele Studienrichtungen ausserhalb von Naturwissenschaft und Technik, wie etwa Medizin, Ökonomie, Psychologie, Soziologie oder Wirtschaft und Recht. Die Stochastik ist für die entsprechenden Studienrichtungen zunehmend wichtig geworden, was sich im inhaltlichen Teil des Stoffkatalogs widerspiegelt. Stochastik gehört darüber hinaus heute zur Allgemeinbildung: Wir werden alle täglich mit Zufall, Statistik, Risiko und Unsicherheit konfrontiert. Es geht nicht darum, Inhalte von Statistikvorlesungen an den Universitäten vorwegzunehmen, sondern darum, einen elementaren Einblick in die Denkweise und die Konzepte der Stochastik zu vermitteln. Der Alltagsbezug der Stochastik erzeugt bei vielen Schülerinnen und Schülern eine besondere Motivation für die Mathematik. Häufig bieten ihnen die dazugehörigen Fragestellungen auch einen Zugang zur Mathematik, der unabhängig ist von ihren bisherigen Unterrichtserfahrungen. Stochastik eignet sich sehr gut, Aspekte der mathematischen Modellbildung zu illustrieren. Stochastische Modelle bilden eine wichtige Ergänzung beziehungsweise einen Kontrast zu den deterministischen Modellen der Analysis.
Weitere Gebiete der Mathematik ausser den oben genannten vier Grundpfeilern können, allein schon aus Zeitgründen, nicht im gleichen Masse ihren Niederschlag in der Schule finden. Trotzdem sollten etwa die im Zusammenhang mit dem Computer wichtigen Gebiete der Numerik oder der diskreten Mathematk nach Möglichkeit im Unterricht thematisiert werden.
Der inhaltliche Teil wird für jedes mathematische Gebiet als Tabelle mit drei Spalten dargestellt. Ergänzt wird jede Tabelle durch Hinweise auf weitere Vertiefungsthemen, auf Querverbindungen zu den anderen, innermathematischen Gebieten respektive zu anderen Fachdisziplinen, und auf Anwendungen.
Die drei Spalten Verstehensorientiertes, inhaltliches Wissen (Semantik), Verfahrensorientierte, algorithmische Fertigkeiten (Syntax) und Verstehensorientierte Erkundung/Vertiefung (Exploration) sollen im Unterricht gleichwertig ihren Niederschlag finden. So genügt es beispielsweise nicht, die Ableitungsregeln syntaktisch zu beherrschen, wenn mit dem Begriff der Ableitung kein inhaltliches Konzept verbunden wird oder die praktische Relevanz der Ableitung als Werkzeug in Anwendungen, weggelöst vom reinen Ableitungsbegriff, unbehandelt bleibt. Dieser Ansatz bedeutet auch, dass Prüfungen nicht ausschliesslich verfahrensorientierte Fertigkeiten abfragen dürfen. Die Spalte Verstehensorientierte Erkundung/Vertiefung (Exploration) übernimmt insofern eine besondere Rolle, als dass sie wahlweise für einen explorativen Einstieg oder auch für eine vertiefte Auseinandersetzung mit einem Thema genutzt werden soll. Die Hochschulen dürfen davon ausgehen, dass die Inhalte der beiden Spalten Semantik und Syntax im Unterricht abgedeckt wurden. Bei den Inhalten der dritten Spalte steht es den Lehrpersonen frei, eigene Schwerpunkte zu setzen, womit auch die Möglichkeit besteht, aufgrund einer vertieften Behandlung eines bestimmten Themas ein anderes nur zu streifen oder ganz wegzulassen. Die aufgeführten weiteren Vertiefungsthemen und Querverbindungen sind als bereichernde Zusatzelemente zu sehen und sind durch andere, sinnvolle Inhalte ersetzbar.
Algebra | |||
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Themen | Verstehensorientiertes inhaltliches Wissen (Semantik) | Verfahrensorientierte, algorithmische Fertigkeiten (Syntax) | Verstehensorientierte Erkundung/Vertiefung (Exploration) |
Zahlenmengen N, Z, Q, R |
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Variablen, Operationen und Umkehroperationen, Terme, binomische Formeln, Polynome |
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Direkte und indirekte Proportionalität |
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Potenzen und Logarithmen |
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Gleichungen |
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Gleichungssysteme |
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30 bis 35 Wochen à 4 Lektionen (Sekundarstufe II) zuzüglich 20 bis 40 Wochen (Sekundarstufe I).
Algebraische Umformungen werden in allen Themenbereichen des gymnasialen Mathematikunterrichts verwendet. Speziell sollte Folgendes thematisiert werden:
Analysis | |||
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Themen | Verstehensorientiertes inhaltliches Wissen (Semantik) | Verfahrensorientierte, algorithmische Fertigkeiten (Syntax) | Verstehensorientierte Erkundung/Vertiefung (Exploration) |
Folgen und Reihen |
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Funktionen |
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Grundlagen der Differentialrechnung |
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Grundlagen der Integralrechnung |
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Hauptsatz der Integral- und Differentialrechnung |
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Differentialgleichungen und Modellierung |
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40 bis 50 Wochen à 4 Lektionen.
Geometrie | |||
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Themen | Verstehensorientiertes inhaltliches Wissen (Semantik) | Verfahrensorientierte, algorithmische Fertigkeiten (Syntax) | Verstehensorientierte Erkundung/Vertiefung (Exploration) |
Elementargeometrie |
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Trigonometrie |
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Darstellung dreidimensionaler Objekte, Schrägbilder |
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Stereometrie |
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Vektorgeometrie in Ebene und Raum |
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30 bis 40 Wochen à 4 Lektionen (Sekundarstufe II) zuzüglich 15 bis 30 Wochen (Sekundarstufe I).
Stochastik | |||
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Themen | Verstehensorientiertes inhaltliches Wissen (Semantik) | Verfahrensorientierte, algorithmische Fertigkeiten (Syntax) | Verstehensorientierte Erkundung/Vertiefung (Exploration) |
Deskriptive Statistik |
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Ein- und mehrstufige Zufallsexperimente |
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Zufallsvariable & Erwartungswert, Binomialverteilung |
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Beurteilende Statistik |
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In der Wahrscheinlichkeitsrechnung sollen nicht nur Laplace-Modelle behandelt werden.
Die Kombinatorik kann auch separat behandelt werden, vor allem wenn ausfürlicher darauf eingegangen wird (siehe nachfolgende Tabelle).
Kombinatorik |
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25 bis 30 Wochen à 4 Lektionen.
Teile der deskriptiven Statistik, gelegentlich auch der Kombinatorik, werden bereits in der Sekundarstufe I behandelt.